Paula von 2 Frauen, 2 Brüste erzählt ihre Geschichte

Ich bin eine Mutter, nicht mehr jugendlich frisch, aber ansehnlich, adrett und Anfang 30.
Ich habe mehr Rundungen, als Ecken und Kanten, lache gern, viel und laut und bin in meinem tiefsten Herzen spießiger, als ich immer sein wollte #lifegoals.

Früher hatte ich eine sehr große Brust. Heue habe ich keine mehr.
Dazwischen lagen zwei Brustkrebserkrankungen, die das erforderlich machten.

Obwohl ich oft und offen mit meiner Erkrankung umgehe, möchte ich den heutigen Fokus auf das Jetzt legen.
Wenn ihr möchtet, dann könnt ihr gern in meine Erkrankung reinhören. Mit meiner Busenfreundin Alex mache ich einen Podcast (2 Frauen, 2 Brüste), in der wir die Facetten der Erkrankung aus dem Leben greifen und thematisieren (Link: https://2frauen2brueste.podigee.io/)

Zurück zum Jetzt: Worüber ich mit euch sprechen möchte ist das Leben ohne Brüste.

Es ist gut und richtig über Brustkrebs, seine Folgen, Verletzungen und die Vorsorge zu sprechen.
Häufig sieht man selbstbewusste „Amazonen“, oder androgyne Oberkörper, die brustlos- aber voller Stolz das Kinn in Richtung Kamera halten und vor Stärke strotzen.
Häufig, wenn ich alle Lebensgeister beieinander habe, die Haare sitzen und ich einen guten Tag habe, fühle ich mich auch so.

Trotzdem möchte ich diese Momentaufnahmen nachjustieren, denn es gibt auch die andere Seite, die jede Frau (egal ob brustlos, oder nicht) von sich kennt: Der Alltag und der morgendliche Blick in den Spiegel, besonders der, wenn die Nacht davor bescheiden kurz-, oder unterbrochen war.

Wenn ich morgens in meinem Negligeé (das war ein Scherz- ich trage einen Schlafanzug aus Baumwolle) in meinen Pantoffeln in Richtung Dusche schlurfe, dann habe ich es mir abgewöhnt direkt in den Spiegel zu gucken, wenn ich nackt bin.
Denn genau in diesen Momenten fühle ich mich nicht stolz, sondern sehr verletzt.
Das, was ich im Spiegel sehe, entspricht schon lange nicht mehr dem, was ich vor Augen habe, wenn ich an mich denke.
Wenn ich in meinen Spiegel schaue, sehe ich keine Frau mit zarten Narben, die aussehen wie zwei geschlossene Äuglein.

Mein verletzter Brustkorb, die Dellen, die asymmetrische Schnittführung mehrerer Operationen, die Narben der Bestrahlungen zeigen mir jeden Morgen auf eine sehr schmerzhafte Weise, dass ich eine Patientin bin und mein Spiegel schreit mir jeden Morgen entgegen, dass ich Krebs hatte.
Erst wenn ich angezogen bin, lässt der Druck nach und zum Vorschein kommt die Dankbarkeit und das Glück, das ich spüre, weil ich noch auf diesem Erdenball sein darf. Ja, ich bin heute glücklich.
Auch ohne mögliche Aussicht auf eine Brustrekonstruktion, und auch ohne Brüste.

 

Es gibt einige Wege, die ich gefunden habe, um im Alltag mit meiner körperlichen Situation umzugehen, die ich gern mit euch teilen möchte:

 

  1. Epithese

Ob du dich mit Prothetik versorgen möchtest ist eine individuelle Entscheidung. Ich persönlich habe mich dafür entschieden.
Ich empfehle dir, es zumindest zu versuchen und dich gut beraten zu lassen. Auch die Formulierung deiner Bedürfnisse und Empfindungen erleichtert es deiner Beraterin die perfekte Versorgung für dich zu finden.

Was du beachten kannst:
Dein Brustkorb wird sich verändern. Das ist Faktoren wie der Wundheilung, Belastung, Muskulatur oder Geschichtsschwankungen geschuldet.
Verändert sich der Körper kann die Prothetik auf diese Bedürfnisse angepasst werden.

So gibt es Prothesen, die leichter sind als andere, griffiger, weicher oder härter.

Es gibt Teilepithesen, Kontaktepithesen, oder Epithesen mit einer lymphfreundlichen Struktur. Es gibt in verschiedenen Hauttönen und für auch Epithesen, die Rücksicht auf besondere Belastungen nehmen, wie die Schwimmprothetik.
Je besser du deine Körper- und Lebensumstände kommunizierst, desto besser kann eine gute Versorgung für dich gefunden werden.
Und danke daran: Nicht alles, was es gibt, haben die Sanitätshäuser auf Lager. In der Regel ist es aber kein Problem passendes zu bestellen und bei einem Folgetermin unverbindlich anzuprobieren.

 

  1. Wäsche

Ich habe mich – besonders anfangs- mit der richtigen Wäscheauswahl schwer getan und habe auf praktisch, bequem und schwarz/weiß gesetzt.

Aber seien wir ehrlich- finden wir in je einem BH in schwarz und weiß die eierlegende Wollmilchsau? Wenn wir ehrlich sind, dann ist das auch mit gesunder Brust kein realisierbares Unterfangen, oder habt ihr früher einen Sport-BH unter einem Abendkleid getragen? Ihr wisst also, was ich damit sagen will.

Ich habe mich viel zu spät in ein Sanitätshaus getraut und mir schöne Wäsche, für verschiedene Anlässe bestellen lassen.

Zusammen mit der passenden Prothetik verändert sich das Tragegefühl. Ich musste mich erst daran gewöhnen, meine Wäsche in einem Sanitätshaus zu bestellen, aber es lohnt sich diesen Weg auszuprobieren.

 

  1. Kein Dekoltee

Ich war zu einem schönen Anlass eingeladen, und suchte ein Abendkleid. Ich war schnell frustriert. Obwohl mir im Alltag mein Dekoltee nicht fehlt, wurde mir bei dieser Suche schmerzlich bewusst, dass meine favorisierte Mode mich nicht mehr so kleidet, wie ich es mir gewünscht habe.

 

 

Ein kurzer Griff in die Schminkschatulle, einige Experimente mit verschiedenen Schattierungen, Make-ups und Farben zauberten mir nach einigen Übungen vor dem Spiegel ein visuelles Dekoltee.  Es erfordert ein bisschen Übung, aber ein Versuch ist es auf jeden Fall wert.

 

 

 

 

  1. In allem Schlechten auch das Gute finden

Allem voran: An der Tatsache an Krebs zu erkranken, ist nichts Gutes.

In Zeiten der aktiven Therapie habe ich gelernt, an jedem Schritt, den ich nicht beeinflussen kann, etwas Gutes zu finden. So handhabe ich es auch mit der Ablation: Ich kann Dinge nicht ändern, versuche aber die Situation anzunehmen und vielleicht auch Positives zu finden.

Ich habe ein bisschen gebraucht, in allen Nebenbaustellen einen klaren Blick zu finden, aber schließlich gibt es Dinge, die ich ohne Brust tatsächlich besser finde, als mit. Ganz bewusst lasse ich dafür die Epithesen weg und konzentriere mich weniger darauf, meine Ablation als Krebsverletzung wahrzunehmen, sondern fokussiere den daraus ergebenen Vorteil ganz genau.

Dazu zählen Dinge wie:

  • Joggen ohne Brüste fühlt sich für mich freier, bewusster und leichter an
  • Inzwischen kann ich, wenn ich möchte stundenlang auf dem Bauch liegen und fühle mich absolut wohl dabei
  • Manchmal schließe ich die Augen und atme ganz tief ein. Ich konzentriere mich darauf kein Gewicht auf dem Brustkorb und haben und oft fühlt es sich ein bisschen so an, als führe man Achterbahn. Ich nutze diese Technik oft, wenn ich gestresst bin und mich abends nochmal sortieren möchte
  • Zum Einschlafen suche ich meinen Herzschlag und halte meine Hand auf dem Brustkorb. Es ist ein bisschen so, als hielte ich mein Herz ganz nah an meiner Hand.

Dabei schlägt es mutig, beständig und kraftvoll. Das erfüllt mich immer wieder mit einer Freude, Dankbarkeit und Ruhe, die in Worten nicht zu erfassen ist.

Und in solchen Momenten fühle ich mich lebendig, schön und stark. Eigentlich ein guter Moment für diese Bilder, die wir vor Augen haben, wenn wir an die anmutigen, abladierten Amazonen in den Magazinen denken.
Und eine dieser Frauen, das bin ich. Und du.

  1. Bernadette schreibt:

    Liebe Paula,
    Danke für deinen ausführlichen, ehrlichen und informativen Artikel. Als Frau mit nur noch einer Brust kann ich vieles nachvollziehen. Bei mir hat es ein Jahr gebraucht bis ich so weit war, um über den Tellerrand der beiden (an Tag 1 nach der OP!) im Krankenhaus verordneten Prothesen-BHs zu blicken. Aber es gibt tatsächlich viel und v. a. auch viel Schönes, das hätte ich gar nicht gedacht.

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